Was sind Kulturstandards?

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Ein Kulturstandard ist die Art, wie eine Person wahrnimmt, denkt, wertet und handelt, die von den Mitgliedern ihrer Kultur als normal angesehen wird. Klingt abstrakt? Ist es auch. Wird aber an einem Beispiel schnell anschaulich.

Angenommen, Sie reden mit einem Menschen, irgendjemandem, einem Nachbarn auf der Straße. Wie weit von ihm entfernt stehen Sie? Eine Armlänge – diese Distanz nehmen etwa in Deutschland sozialisierte Personen unwillkürlich ein, sie ist quasi einprogrammiert. Diese Distanz kann aber in anderen Kulturen eine ganz andere sein, beispielsweise in Japan. Dort würden Sie jemandem im Armlängen-Abstand unangenehm „auf die Pelle rücken“. Und Ähnliches gilt in allen Bereichen verbaler und nonverbaler Kommunikation. Offenkundig werden Kulturstandards immer dann, wenn Personen mit verschiedenen Standards, also aus verschiedenen Kulturkreisen, aufeinandertreffen. In die Augen blicken? Antippen, um jemanden auf etwas aufmerksam zu machen? Kann in einer Kultur vollkommen „normal“ sein, in einer anderen keineswegs …
Anhand unserer Standards beurteilen wie eigenes und fremdes Verhalten. Kulturstandards regulieren Situationen und unseren Umgang mit anderen. Dabei umspannen Kulturstandards immer einen bestimmten Toleranzbereich. Wer sich aber anders verhält, als in den Kulturstandards – wenn auch mit Spielraum – definiert, wird negativ bewertet (siehe Blogartikel „Vorurteile und ihre Macht“).

Welches sind die zentralen deutschen Kulturstandards und wie wurden sie entwickelt?

Man hat Menschen aus verschiedenen Nationen befragt, was ihnen im Umgang mit Deutschen aufgefallen ist: Welche Verhaltensweisen haben ihnen Schwierigkeiten bereitet, eine bestimmte Situation mit Deutschen zu verstehen? Was hat den Umgang mit ihnen schwierig gemacht? Die Ergebnisse hat ein Team an der Uni Regensburg unter Leitung von Professor Alexander Thomas ausgewertet und analysiert und sechs zentrale deutsche Kulturstandards definiert. Außerdem wurden die Ergebnisse zusätzlich mit denen anderer kulturvergleichender wissenschaftlicher Studien abgeglichen und fanden Bestätigung.

Die zentralen deutschen Kulturstandards sind, kurzgefasst:

Sachorientierung: Die Sache ist wichtiger als die Person.
Regelorientierung: Für alles wird eine Regel gesucht.
Direkte Kommunikation: Der direkte Weg ist der effektivste – offene Diskussion, klares Ja oder Nein.
Interpersonale Distanzdifferenzierung: Halte Abstand und sei zurückhaltend!
Internalisierte Kontrolle: Aufgaben und Verantwortung werden sehr ernst genommen.
Zeitplanung: effektives Handeln, „carpe diem“.
Trennung von Persönlichkeits- und Lebensbereichen: Trennung von Privat- und Berufsleben; betrifft vor allem auch Kontakte: Kollege oder Freund?

Wenn unterschiedliche Kulturen zusammenleben, ist das Miteinander nicht immer einfach – aber ohne Miteinander kein Erfolg. Nutzen wir die positiven Energien der Vielfalt in unserer Gesellschaft, Politik und Wirtschaft so, dass alle profitieren. Wer interkulturelle Kompetenz entwickeln will, muss offen sein, die eigene und fremde Kultur zu reflektieren. Nutzen Sie die Vielfalt.

Seien Sie offen für Fremdes!

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